Liebe Leser,
während ich diese Zeilen schreibe, ist wieder einmal unklar wie es mit Griechenland weitergehen wird. Am Donnerstag und Freitag hatten die Börsen das vermeintliche Reformpaket Griechenlands bereits vorab gefeiert. Ich habe mir die Reformvorschläge durchgelesen und wusste nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Stolz präsentiert die griechische Regierung ihr Entgegenkommen. So soll die Luxussteuer auf Yachten schon ab 5 Metern Länge gelten und nicht erst ab 10 Metern Länge. Mit solchen Detailfragen beschäftigen sich tatsächlich die Spitzenpolitiker der gesamten Eurozone.
Als neutraler Beobachter des gesamten Schauspieles bin ich ein großer Fan von Alexis Tsipras geworden. Nicht aufgrund seiner Ansichten, sondern aufgrund seiner ehrlichen Haut als Politiker. Er sagt seit seiner Wahl klipp und klar was er will: Schuldenerlass, keine Sozialreformen und wenn möglich eine europäische Transferunion. Um diese Ziele herum veranstalten die Griechen ein gekonntes Schauspiel und führen die Politiker Resteuropas am Nasenring durch die Manege. Tsipras will keine Reformen, er will nur die Schulden losbekommen und in der Eurozone bleiben
Die meisten Menschen hier in Deutschland spüren instinktiv, dass etwas mit dieser Rettungspolitik nicht richtig ist. Es fällt ihnen jedoch manchmal schwer dieses Unbehagen in ein klares Ursache-und Wirkungsprinzip aufzuschlüsseln. Das möchte ich an dieser Stelle tun.
1. Die Gründungsväter der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hatten als fundamentale Regelung die No-Bailout-Klausel in den EG-Vertrag geschrieben. Diese Nichtbeistands-Klausel schließt aus, dass Mitgliedsstaaten für die Staatsschulden anderer Mitgliedsstaaten haften.
2. Im Mai 2010 kam es zum Sündenfall. Der Europäische Stabilisierungsmechanismus wurde beschlossen. Unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel wurde das bislang marktwirtschaftliche orientierte Europa in eine sozialistische Transfergemeinschaft verwandelt.
3. Wer das Gespenst des Sozialismus ruft, bekommt es nicht mehr los. Welches Land will schon diszipliniert den Haushalt führen, wenn andere Länder, die nicht sparen, das Geld von den reicheren EU-Staaten überwiesen bekommen? Auch in anderen Ländern werden sozialistische Regierungen an die Macht kommen, vermutlich Anfang 2016 bereits in Spanien.
Ich persönlich werde Angela Merkel diesen Sündenfall auf politischer Ebene nicht mehr verzeihen. Sie hätte die Macht gehabt, Europa auf ein marktwirtschaftliches Fundament zu stellen, das allen Bürgern Europas zu Freiheit und steigendem Wohlstand verhilft. Stattdessen riskiert sie das Scheitern der europäischen Idee und sorgt für feindselige Stimmung zischen den Völkern Europas.
Ich habe Ihnen diese Zeilen in einer Stimmung tiefer Frustration geschrieben, angesichts der Machtlosigkeit, das richtige Rezept zu kennen, aber nichts gegen den Verfall Europas tun zu können.
Viele Grüße
Ihr Simon Betschinger
Das ist die aktuelle Kolumen aus dem “aktien” Magazin