Liebe Leser,
kennen Sie noch „Leaderboard Stocks TV“? Vor etwa einem Jahr sagte ich, dass wenn ich in eine Aktie auf Sicht von 10 Jahren investiert müsste, es Amazon wäre. Ich bleibe dabei!
Jeff Bezos hat vor langer Zeit aufgehört mit der Presse über Quartalsberichte zu sprechen. Ich erinnere mich noch gut zurück – es muss um das Jahr 2002 gewesen sein – als Jeff Bezos nach schlechten Quartalszahlen gegenüber der n-tv Telebörse Rede und Antwort stand. Bezos ging auf die Fragen des Moderators gar nicht ein. Er lächelte ständig süffisant und sprach von zukünftigen Projekten. Damals machte sich unter Börsianern eine Stimmung der Wut breit, angesichts horrender Kursverluste vieler Internet-Aktien. Der Moderator, der Jeff Bezos zum Quartalsverlust befragte, wirkte auch leicht zornig als sich dieser für die Verluste einfach nicht rechtfertigen wollte, sondern ständig nur grinste. Der Amazon-CEO ist einer der am häufigsten kritisierten Vorstandschefs, aber gleichzeitig einer der erfolgreichsten.
Am Donnerstag nach Börsenschluss war wieder einmal Amazon-Showtime und Jeff Bezos muss im Verborgenen zufrieden gelächelt haben als das Zahlenwerk zu Q1 über den Ticker lief. Denn erstmals wurden Zahlen zum Cloud-Geschäft des Unternehmens, den „Amazon Web Services“ veröffentlicht. Um fast 50% auf 1,57 Mrd. USD wuchsen die Umsätze in der Cloud-Sparte und – das war die Überraschung des Abends: Das Cloud-Geschäft ist mit einem operativen Ergebnis von 265 Millionen USD im ersten Quartal hochprofitabel. Die Amazon-Aktie reagiert am darauffolgenden Tag mit einem Freudensprung um +14%.
Im Cloud-Geschäft werden jetzt die Marktanteile vergeben, ähnlich wie vor 20 Jahren die Marktanteile im Bereich für Unternehmenssoftware vergeben wurden und SAP sich dort zu einem dominierenden Spieler entwickelte. Viele Start-Ups und etablierte Unternehmen wie Netflix, Dropbox oder Instagram nutzen die Speicher- und Rechenkapazitäten von Amazon und setzen ihre gesamte IT-Infrastruktur darauf auf. Amazon spielt hier auf gleicher Augenhöhe mit Google, Microsoft oder IBM. Jeff Bezos hat also mal wieder alles richtig gemacht. Er hat die Amazon Web Services frühzeitig im Jahr 2006 gestartet, kurzfristige Gewinne als unwichtig eingestuft und folglich steht die Amazon-Aktie heute auf Allzeithoch.
Trotz der sensationell guten Ergebnisse der Cloud-Sparte wurde am Freitag erneut das leicht negative Ergebnis im Gesamtkonzern heftig kritisiert. Doch wieder ist diese Kritik blutleer. Denn wenn ich mir anschaue mit welcher Geschwindigkeit Amazon derzeit neue Geschäftsbereiche aus dem Boden stampft, dann finde ich es beachtlich, dass Amazon das Ergebnis weiterhin um die schwarze Null halten kann. Am vielversprechendsten halte ich derzeit die Amazon-Investitionen in eigene Filmstudios, um Serien oder Kinofilme zu produzieren. Die Kalkulation ist einfach: Von 20 Serien, die Amazon produziert, muss sich eine nur zu einem Erfolg wie House of Cards von Netflix entwickeln und schon sind die Investitionen dank Millionen von neuer Prime-Kunden wieder eingespielt. Eine Strategie, die Sinn macht!
Viel Erfolg wünscht
Ihr Simon Betschinger