Liebe Leser,
Thomas Piketty trifft den Zeitgeist, wenn er in seinem Buch statistisch belegt, dass die Ungleichheit wächst. Die natürliche Tendenz des Kapitalismus gehe zur Ungleichheit, so Piketty, der neue, umjubelte Star der linken Szene. Sein 700-seitiges Werk trägt daher auch ganz unbescheiden den Titel „Das Kapital im 21. Jahrhundert“. Was mich an den meisten Rezensionen sofort gestört hat, ist das blinde und unkommentierte Übernehmen von Pikettys merkwürdigen Gerechtigkeitsvorstellungen. Ungleichheit ist schlecht! Darüber sind sich offenbar alle einig. Warum eigentlich? In China ist seit Einführung kapitalistischer Prinzipien in den 1970er Jahren die Ungleichheit rasant angestiegen, aber gleichzeitig hat der Kapitalismus über 400 Millionen Menschen aus der Armut befreit und diesen zur Aufstieg in die Mittelschicht verholfen.
Ist es wirklich schlimm, wenn bei diesem Prozess des allgemein wachsenden Wohlstands einige Supermilliardäre emporsteigen? Ich persönlich finde nichts was mich am hohen Privatvermögen von Bill Gates, Marc Zuckerberg, Warren Buffett oder Elon Musk stören sollte. Ich habe auch kein Problem damit, dass Christiano Ronaldo ein Vielfaches von mir verdient. Und dass Miley Cyrus mit Zunge rausstrecken und lasziven Posen zur Multimillionärin geworden ist, stört mich ebenso wenig. Diese reichen Menschen sind für uns alle doch sogar ein Signal der Hoffnung, das zeigt, dass die finsteren Zeiten überwunden sind als Status und Macht allein per Geburtsrecht oder über Gewalt verteilt wurden. Diese Ungleichheit, ausgelöst von Privatpersonen, die es zu etwas bringen, ist kein Skandal, sondern der erfreuliche Beleg dafür, dass wir ein funktionierendes System des Privateigentums und der Privatrechte haben.
Welche Art der Ungleichheit empfinde ich als Problem? Die Ungleichheit, die entsteht, wenn jemand ohne das Eingehen von Risiken Kapitalerträge erzielen kann, weil die Gesellschaft dafür haftet. Der Staat hat ein Geld- und Bankensystem etabliert, das genau dafür sorgt. Staatsanleihen der führenden Industriestaaten bringen Renditen quasi ohne Risiko. Banken nutzen den Geldschöpfungsmechanismus der Zentralbanken lieber, um Staatsanleihen zu kaufen und um Staaten zu finanzieren, anstatt ihrem früheren Kerngeschäfts nachzugehen, nämlich Wachstumsfinanzierung für Unternehmen zu betreiben. Das Hauptproblem in der derzeitigen Ausprägung des Kapitalismus sind nicht die erfolgreichen Privatmenschen, sondern es ist die staatliche Ausgestaltungen des Banken -und Geldsystems, das Risiko und Rendite entkoppelt.
Herzlichst
Ihr Simon Betschinger