Liebe Trader,
rückwirkend war das Jahrzehnt nach der großen Euphorie eine großartige Zeit, um zu lernen, kein Geld zu verlieren, aber ich glaube es war auch die Zeit, die diejenigen Trader unter uns, die in ihr herangewachsen sind und Größe erlangt haben, für immer schwere Steine in den Weg gelegt hat. Das Übermaß an Vorsicht zerstört die Chance auf einfache Gewinne wie sie Bullenmärkte nun einmal verschenken.
Manchmal stelle ich mir vor wie es wäre, die Erfahrungen der letzten 10 Jahre einfach aus dem Gedächtnis zu löschen. Wie es wäre, wenn ich 3D Drucker Aktien wie 3D Systems oder innovative Firmen wie Tesla Motors einfach sorgenfrei im Depot liegen lassen könnte, weil ich ja überzeugt bin und noch nicht die schmerzhaften Erfahrungen gemacht habe, dass die eigene Fehlbarkeit viel größer ist als die menschliche Vorstellungskraft. Das wäre schön und ich würde vermutlich eine weitaus größere Menge an Geld verdienen als ich mit den Beschränkungen tun kann, die meine Erfahrungen mir nun unweigerlich gesetzt haben.
Das Erlebte, wie sich ein Depot in einem Jahr in Luft auslösen kann, hat sich in den Kopf gebrannt und bei jedem stärken Kursrückgang wird ein innerer Schrei entfacht: „Vorsicht, der Crash könnte beginnen“! Doch das Jahrzehnt der Megacrashs ist vorbeigezogen! . Ich habe es überlebt, aber bin vermutlich als Trader für immer von meiner Risikoeinstellung her verdorben. Wir treten über in ein neues Jahrzehnt der neuen Beschwinglichkeit, in dem mehrmonatige Kurskorrekturen allenfalls den Bullenmarkt bestätigen. Neue Anleger, ohne die schmerzhaften Erfahrungen der großen Crashs, die einfach glauben, kaufen und liegenlassen, haben jetzt die besten Chancen. Aber ich kann so nicht mehr sein.
Die Chance, Aktien geschenkt zu bekommen, ist – ich befürchte es leider – erst einmal vorbei, für mindestens 10 Jahre. Anders könnte es auch gar nicht sein. Wer jetzt noch nicht gelernt hat, dass nach der jeder Krise ein neuer Aufschwung kommt und öffentlichen Untergangserklärungen des kapitalistischen Systems von der Wirklichkeit schneller überrannt werden als die Sozialisten ihre Untergangsparolen neu formulieren können, der ist schon lange nicht mehr an der Börse aktiv.
Viele Grüße
Simon Betschinger