Liebe Leser,
in den zweihundert Jahren seit seinem Bestehen hat uns das kapitalistische System mit revolutionären Änderungen unserer Lebensumstände beglückt. Mit der Erfindung von mechanisierten Maschinen wurden im England des frühen 19. Jahrhunderts die ersten Textilfabriken aus dem Boden gestampft und schon wenige Jahrzehnte später war ordentliche Kleidung keine Mangelware mehr, sondern ein Standardprodukt, das sich ein Großteil der Bevölkerung leisten konnte. Dann hat die Eisenbahn ab den 1840er Jahren sämtliche bestehenden Standortbedingungen über den Haufen geworfen. Jede Eisenbahnverbindung in ein noch unerschlossenes Gebiet induzierte neue Investitionen, weil auf einmal ein Grad der wirtschaftlichen Verflechtung und der Arbeitsteilung möglich war, der eine weitreichende Industrialisierung möglich machte. Einen ähnlichen galoppierenden Fortschritt brachten die Welle der Elektrifizierung und die Erfindung des Automobils ab etwa 1900. Stromleitungen, Kraftwerke und Autofabriken mussten errichtet werden. Zusammen mit den komplexen Zulieferindustrien, die parallel emporstiegen, befand sich die Wirtschaft in einem ständigen Prozess der Wandlung.
Die epochalen Veränderungen im Zeitraum von 1790 bis 1971 bezeichne ich als erste Phase des Kapitalismus, oder genauer gesagt, die kapitalgetriebene Phase des kapitalistisches Systems, in der neue unternehmerische Projekte erst einmal die Investition in Produktivkapital voraussetzen (Firmengebäude, Maschinen,..). 1972 brachte Intel den Mikroprozessor „4004“ auf den Markt und startete damit die IT-Revolution. Alles sollte sich ändern. Der Faktor Kapital wurde als maßgeblicher Produktionsfaktor verdrängt und durch Humankapital ersetzt. Allein Kraft ihrer visionären Fähigkeiten und ihrer eigenen intellektuellen Leistungen konnten Unternehmer Garagenfirmen innerhalb kürzester Zeiträume zu Weltkonzernen entwickeln. Die Informationstechnologie markiert somit den ersten Schritt einer Befreiung der menschlichen Kreativität von den Restriktionen des Kapitals. Am Anfang von Microsoft, Google oder Facebook standen keine Milliardeninvestitionen, sondern kluge Köpfe, die aus digitalem Code neue Geschäftsmodelle und neue Produkte erschaffen konnten.
Die 3D Drucker Technologie wird den kreativen Unternehmer endgültig von den Restriktionen des Kapitals befreien. Die digitale Revolution wird nicht mehr auf die Branche der Informationstechnologie (Software, Internet,…) beschränkt sein, sondern die Industrie erreichen. Es kommt nicht von ungefähr, dass die großen, unternehmerischen Erfolgsstorys des letzten Jahrzehnts auf dem Internet aufbauten. Ein Marc Zuckerberg benötige nur einen Computer und einen visionären Verstand, um Facebook zu erschaffen. Es wäre ihm nicht möglich gewesen, ein Geschäftsmodell zu verwirklichen, das zuerst Investitionen in Fabriken, Mitarbeiter und Maschinen voraussetzt. Genau diese Beschränkung des kreativen Unternehmertums auf die Informationstechnologien wird ab voraussichtlich 2020 nicht mehr existieren. Die 3D Drucker Technologie wird die Produktionsmöglichkeiten von Unternehmern exponentiell erhöhen. Aus schöpferischen Gedanken und der Fähigkeit, diese mittels der richtigen 3D-Software in digitale Designs umzusetzen, können komplett neue Produkte entstehen. Die digitalen Designs werden auf Internet-Marktplätzen verkauft und die Käufer dieser Designs, können die komplexen Produkte vom spezialisierten Dienstleistern, die 3D Drucker der neuesten Generation besitzen, materialisieren und sich zusenden lassen.
Das entscheidende Element dieses 3D Druck Herstellungsprozesses ist es, dass der Faktor Kapital, den der klassische Unternehmer erst einmal akkumulieren musste, eliminiert wird. Aus gesellschaftlicher Sicht stehen wir damit vor einer komplett neuen Phase des kapitalistischen Systems. Schon jetzt sind die Auslöser der neuen Wirtschaftsordnung zu spüren. Makroökonomische Phänomene wie konstante Niedrigzinsen oder steigende Geldmengen ohne Inflation sind alle mit einer fundamentalen Entwicklung zu erklären, die von der IT-Revolution losgetreten wurde. Wirtschaftliches Wachstum ist nicht mehr in erster Linie an den Faktor Kapital geknüpft. Die Entwicklung von Software folgt aus kapitalistischer Sicht anderen Spielregeln als der Bau einer Eisenbahnlinie im 19. Jahrhundert. Der Transitionsmechanismus des Kapitals in die Realwirtschaft kam in den letzten beiden Jahrzehnten immer stärker zum Erliegen. Das zeigen die statistischen Datenreihen. Ökonomen weltweit verstehen diese Anomalie noch nicht. Nachdem sie diesen Artikel gelesen haben, wird sich das ändern. Eigentlich wollte ich mit dieser Idee eines Tages promovieren, aber als leidenschaftlicher Unternehmer fehlt mir die Zeit für eine solche wissenschaftliche Tätigkeit.
Henry Ford hat einmal gesagt: „„Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“ 98% aller Menschen sehen große Veränderungen nicht auf sich zukommen, bevor sie Wirklichkeit werden. Vor 10 Jahren hätte sich vermutlich kaum jemand vorstellen können, mit dem iPad auf dem Sofa zu sitzen und aus einem App-Store kleine Programme herunterzuladen. Steve Jobs hat mit seinen Produkten einen komplett neuen Markt geschaffen, der das BIP der USA und den Wohlstand der US-Bürger spürbar erhöht hat. Wenn man die Menschen heute fragen würde, was sie mit einem 3D Drucker replizieren werden, wird man keine Antwort erhalten. Und das ist vollkommen normal, denn die passenden Produkte werden erst noch von schöpferischen Unternehmern erfunden. Ich versuche einen Blick in die Zukunft zu werfen. 3D Druck wird zwei maßgebliche Trends auslösen:
1. Die komplette Individualisierung von Produkten
Ein Müsli genau mit den richtigen Zutaten kann ich bereits heute im Internet bestellen, genau so wie ich beim Autokauf die Ausstattung individualisieren kann. Das ist aber gar nichts im Vergleich zu dem was mit Hilfe der 3D Drucker Technologie möglich sein wird. Die äußere Gestalt von Produkten wird komplett individualisierbar. Die Nutzer wollen das. Der Kauf von Smartphones, Notebooks, Tablets oder später gar Möbeln und Autors wird mit einer Individualisierungsmöglichkeit der äußeren Erscheinung verbunden sein. 3D Drucker werden dann wie selbstverständlich in den Fabrikationshallen stehen, um im letzten Schritt des Herstellungsprozesses, das individualisierte Design eines Konsumproduktes zu liefern.
2. Neue Produktkategorien werden entstehen, ich tippe im Bereich Robotik
Das größte Potenzial wird die 3D Drucker Technologie mit Produkten entfalten, die es jetzt noch gar nicht gibt, aber die sich speziell aus den Anwendungsmöglichkeiten der Technologie ergeben. Ich wage die Prognose, dass im Bereich Roboter für Konsumenten der Durchbruch mit Hilfe der 3D Drucker Technologie kommen wird. Untenstehend habe ich ein Video der Nao-Roboter eingestellt. Wir sehen hier ein Konsumprodukt der Zukunft, das mit 3D Druckern von erfindungsreichen Unternehmen sehr viel einfacher hergestellt werden kann als heute. Im Bereich Robotik werden sich schöpferischen Möglichkeiten der digitalen Revolution vereinen. Kluge Entwickler sorgen für die Programmierung, kreative Designer für das äußere Erscheinungsbild und die 3D Drucker Technologie wird Roboter für viele Unternehmer produzierbar machen.
Fazit: Mit dem Aufkommen der Informationstechnologie ist der Kapitalismus in seine zweite Phase eintreten. Die Bedeutsamkeit des Faktors Kapital wird sukzessive zurückgehen und durch Humankapital verdrängt. Eine Explosion der Innovations- und Schöpfungskraft wird die Folge sein. Die informationstechnologische Revolution wird auf die industrielle Fertigung übergreifen, weil der Faktor Kapital, der bisher notwendig war, um eine industrielle Produktion zu starten, als notwendiger Investitionsschritt weitgehend ausgeschaltet wird. Die 3D Drucker Technologie als Werkzeug, um aus digitalen Schöpfungen reale Gegenstände zu erzeugen, ist der nächste logische Schritt in der Entwicklungsphase des Kapitalismus.
Hinweis: Die ist der erste Teil meines Artikels zur „3D Drucker Revolution“, der das theoretische Fundament für die Technologie erklärt. Der zweite Teil wird einen visionären Blick in die Zukunft werfen welche Anwendungsmöglichkeiten es gibt und wie schnell sich die Technologie verbreiten könnte.