Liebe Leser,
die Schlagzeilen sind wir ja eigentlich schon gewohnt. Banken vernichten Milliarden im Eigenhandel. Beim LTCM Hedge-Fonds war es eine ganze Riege von Finanzmathematikern und Physikern, angeführt von zwei Nobelpreisträgern, die das größte finanzielle Fiasko der Fondsgeschichte ausgelöst haben. Die Pleite der quantativen Hedge-Fonds von Bear Stearns (High Grade Structured Credit Strategies Enhanced Fund, High Grade Structured Credit Strategies Fund und Asset-Backed Securities Fund) war 2007 vermutlich DER Auslöser der Finanzkrise, der den Stein der Liquidierungen ins Rollen brachte. Heute machte J.P. Morgan Schlagzeilen. Zwei Milliarden Dollar wurde von deren Eigenhandelsabeteilung einfach mal so in wenigen Wochen verballert.
Es gibt Finanzmathematiker und Physiker, die machen ihre Abschlüsse mit 1.0 und bekommen in den Hedge Fonds und Banken dann die Jobs angeboten, wo es darum geht, Milliardenwetten zu platzieren. Aber trotzdem können das sehr dumme Menschen mit einer merkwürdigen Inselbegabung sein. Ich habe mich neulich mit so jemanden unterhalten. Der hat mir doch tatsächlich erzählt, er könnte seinen Computer mit sämtlichen Börsennachrichten füttern, die Software würde dann lernen welche Nachrichten zu steigenden Kursen und welche zu fallenden Kursen führen und somit könnte er mit dem automatisierten Handel nach Nachrichten ganz einfach Geld verdienen. Er hat daran wirklich geglaubt, er hat sich für so wahnsinnig intelligent gehalten und war sich sicher, die Börse ohne weiteres beherrschen zu können. So ein naiver Typ, einfach schrecklich!
Es ist bekannt, dass Menschen, die auf dem klassischen Bildungsweg durchmarschieren und immer die besten Abschlüsse haben, regelmäßig in die Intelligenzfalle tappen. Durch den Erfolg auf dem akademischen Weg, der geradelinig von klar definierten Problemen (Klausuren) geebnet ist, stellen sie einmal gewonnenen Standpunkte nur noch sehr ungern in Frage. Die ständige Selbstreflexion geht auf ein Minimum zurück. Menschen, die ihren Platz im Universum nicht richtig einordnen können und die sich der Begrenztheit ihres Wissens nicht im Klaren sind, sind im Hedge Fonds Bereich wahrhaftige Bomben, die jederzeit drohen zu explodieren.
Es ist ja bekannt wie es bei den meisten quantitativen Eigenhandelsabteilungen zugeht. Ich bekomme es oft genug erzählt. Ein Ökonometriker wird auf 30 Jahre Finanzmarktdaten losgelassen. Er findet Regeln in den Datenreihen und glaubt erkannt zu haben wie die Finanzmärkte funktionieren. Es ist noch alles so wie an der Uni. Aufgaben erhalten, Aufgaben lösen. Dann werden die Regeln der Börse getestet und wie der Zufall so will, läuft ein oder zwei Jahre lang alles nach Plan. Doch dann auf einmal kommen die ersten Verluste, der Markt will sich einfach nicht an die Regeln halten. Das kann nur eine Anomalie sein, die sich irgendwann wieder normalisieren muss. Darum wird der Einsatz erhöht und nochmal erhöht und irgendwann liest man dann in der Presse, dass es wieder einen quantitativen Hedge-Fonds zerlegt hat, weil sich der Markt anscheinen so verhalten hat wie noch nie in seiner Geschichte.
“Die einzig wahre Erkenntnis liegt darin, nicht zu glauben, dass man weiß, weiß man nicht weiß.” Wer das nicht begriffen hat, sollte um die Börse einen riesen Bogen machen. Wenn Sokrates sagt: „Ich weiß, dass ich nichts weiß”, dann ist diese Erkenntnis mehr wert als jedes finanzmathematische Modell, das den Finanzmarkt seit 100 Jahren perfekt modelliert. Denn letzteres ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt.