Liebe Leser,
es ist wie immer ein Kuriosum, dass wenn verschiedene Ökonomen über das gleiche Thema sprechen am Ende so viele verschiedenen Lösungsansätze herauskommen. Die Position von Bundesbankpräsident Weidmann, der Anleihenaufkäufe durch die EZB komplett ablehnt, halte ich für weltfremd. Ohne die Interventionen der EZB auf den Anleihemärkten wären die Anleihen von Portugal, Spanien und gar Italien vermutlich schon längst abgestürzt. Es liegt keine zwei Monate zurück, da konnte nur das Bekenntnis der EZB, im Notfall einzuschreiten, die Kurse wieder stabilisieren. Ohnehin halte ich diese Denken in engen Schienen und das Aufstellen von Dogmen, die nicht mehr in Frage gestellt werden, für eines der größten Probleme, die der Überwindung der Krise im Wege stehen. Merkel erklärt den Rettungsschirm für alternativlos, in den USA sind Republikaner gegen jede Form der Steuererhöhung, in der EU-Komission darf das Wort Staatspleite nicht ausgesprochen werden und in der Bundesbank würde man lieber Italien sofort in die Pleite rutschen lassen als auch nur eine einzige Anleihe aufzukaufen. Ein Irrenhaus!
Das Lösungsszenario von IWF-Chefökonom Olivier Blanchard halte ich am sinnvollsten. Blanchard analysiert trocken, dass die mangelnde Kompetenz der Industrieländerregierungen die Panik an den Märkten erst ausgelöst hat. Die Skepsis bezüglich der Werthaltigkeit von Staatsanleihen hat dann zu den erneuten Turbulenzen im Bankensektor geführt. Als Agenda, was getan werden muss, nennt Blanchard im Wesentlichen drei Punkte: Erstens muss endlich eine glaubwürdige Sparpolitik seitens der EU-Staaten auf den Weg gebracht werden. Zweitens müssen die Banken in Europa endlich vernünftig rekapitalisiert werden, falls notwendig auch mit öffentlichen Geldern und drittens ist die EZB derzeit die einzige Institution, die einer Marktpanik und einer Verschärfung der Schuldenkrise entgegentreten kann. Wenn die Politik komplett versagt hat, dann muss die EZB deren Aufgabe übernehmen, so bitter es klingt. Die Notenbank hat jetzt ein mächtiges Schwert und Druckmittel in der Hand. Sie kann Anleihen gezielt von denjenigen Problemstaaten aufkaufen, die ihren Haushalt am zielstrebigsten sanieren. Wenn Berlusconi wieder ein Sparpaket verschiebt, muss die EZB die Peitsche schwingen, wenn ein Sparpaket im Parlament verabschiedet wird, muss sie als süße Belohnung Anleihen aufkaufen. Anders scheint der südländischen Mentalität nicht beizukommen zu sein.
Viele Grüße
Simon Betschinger