Liebe Leser,
es soll ja Branchen geben, die schwierig zu bewerten sind. Biotech-Unternehmen zum Beispiel. Wenn nicht einmal Wissenschaftler zuverlässig die Erfolgschancen einer Wirkstoff-Pipeline in Hinblick auf marktfähige Produkte bewerten können, wie soll dann erst der Kapitalmarkt die zukünftigen Umsatz- und Gewinnpotenziale richtig einschätzen? Dass bei Biotech-Aktien hohe Kursschwankungen auftreten können, leuchtet daher jedem ein.
Aber dann gibt es ja auch Branchen wie den Stahlhandel. Ein Geschäft, das der Menschheit schon seit über 100 Jahren bekannt ist. Das Handelsgewerbe selbst ist sogar eine mehrere tausend Jahre alte Branche. Ein Unternehmen wie Klöckner & Co kauft Stahl und andere Metalle, lagert diese ein und bringt diese zuverlässig an die Kundschaft. Jemand, der sich mit diesem Sektor beschäft und das Geschäftsmodell bewertet, sollte das Geschäft eigentlich relativ schnell durchschauen können. Zudem ist der Stahlsektor seit über 100 Jahren ein sehr zyklischer Markt. Wenn die Konjunktur läuft, benötigen Industrieunternehmen Rohstoffe, um zu produzieren. Wenn sich die konjunkturelle Stimmungslage eintrübt, dann werden erst einmal keine neuen Bestellungen aufgeben und es wird erst einmal mit den vorhandenen Lagerbeständen gearbeitet.
Man sollte erwarten, dass sich Aktien wie Klöckner & Co sehr schwankungsarm verhalten. Im Boom müssten Analysten, die sich mit der Branche und dem Unternehmen beschäftigen, vor der nächsten zyklischen Gewinneintrübung warnen und in der Rezession müssten Analysten darauf aufmerksam machen, dass der nächste Aufschwung in ein paar Quartalen einsetzen wird und die Gewinne folglich beflügelt. So weit die Theorie! Wie sieht die Praxis aus? Betrachten Sie den untenstehenden Chart:
Der Aktienkurs von Klöckner & Co schwankte in den letzten Jahren wie von der Tarantel gestochen wild auf und ab. Von 6€ bis 65€ waren alle Kursniveaus vertreten. In den Analystenberichten noch vor drei Monaten sind nahezu überall steigende Umsatz- und Gewinnreihen in den nächsten drei bis jünf Jahren ausgewiesen. Goldman Sachs setzte die Aktie sogar auf die Conviction Buy List. Von einem Stahlhändler aus einer zyklischen Branche erwartete also noch vor drei Monaten die Mehrzahl der Analysten auf Jahre hinweg positiv Wachstumsraten und stetig hohe Gewinnmargen. Keine drei Monate später hat sich das Bild komplett gewandelt. Auf einmal vertritt der Kapitalmarkt die Meinung, dass Klöckner & Co auf Jahre hinweg keine hohen Umsatzsteigerungen mehr erzielen wird und auch die Margen sehr schwach ausfallen werden.
Fazit: Ein Käfig voller Narren! 90% aller Analysten, die solche vermeintlich rationalen Studien im Banker-Slang schreiben und dabei mit einer komplizierten Fachsprache mächtig auftrumpfen, sind nichts anderes als hirnlose Herdentiere.