Liebe Leser,
wie aus einer Schockstarre eine globale Katastrophe werden kann, hat die Pleite von Lehman Brothers vorgeführt. Von einem Tag auf denen anderen stellten Firmen ihre Auftragsvergabe zurück und Konsumenten hielten ihr Geld zusammen. Aus einer Finanzkrise, die von den Zentralbanken hätte kontrolliert werden können, wurde eine kleine Weltwirtschaftskrise. Angesichts dieser Erfahrungen ist das politische Schauspiel in den USA mehr als nur eine groteske Zeitungsschlagzeile, es ist eine reale Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung. Rein faktisch hätte ein kurzfristiger Zahlungsausfall der USA keine weitreichenden, internationalen Konsequenzen. Die FED würde mit nahezu 100%iger Wahrscheinlichkeit auslaufende Anleihen aufkaufen und die Anleihekurse stabilisieren. Die Gläubiger der USA könnten somit jederzeit ihre US-Staatsanleihen wieder zu Geld machen. Zu solchen rationalen Betrachtungen tendieren Anleger und Wirtschaftsakteure jedoch nicht. Schon in dieser Woche verzeichnen die Aktienmärkte aus Nervosität vor einer Eskalation der Schuldenkrise deutliche Kursverluste. Wenn keine Einigung im Schuldenstreit erzielt wird, ist es absehbar, dass Panik an den Finanzmärkten ausbrechen würde, mit all den so schwer kontrollierbaren Rückkopplungseffekten.
Eine in der Verfassung verankerte Schuldenbremse ist eine gute Sache, auch die intensive politische Diskussion darüber, ob sie angehoben werden darf. Ich bin auch jemand, der für einen schlanken Staat eintritt, weil ich glaube, dass eine geringere Staatsquote in Deutschland unser aller Wohlstand verbessern würde. Mit der Tea Party Bewegung in den USA kann ich dennoch nicht sympathisieren. Die Tea Party Aktivisten erinnern mich ein wenig an religiöse Fanatiker, die nicht mehr den Wohlstand ihres Landes in den Mittelpunkt stellen, sondern ihre eigenen Ideale, oder besser gesagt, ihre eigenen Vorteile. Solche fundamentalen, unnachgiebigen Positionen haben bei Parteien, die in der Regierungsverantwortung stehen, nichts verloren. Wer regiert muss den Willen zum Konsens haben. In einer funktionierenden Demokratie müssen solche radikalen Position im Wahlkampf offengelegt werden. Dann können die Bürger sich für eine Seite entscheiden. Das Verhalten der Tea Party Aktivisten ist nach meinem Empfinden zutiefst undemokratisch und schädlich für die Gesellschaft.
Viele Grüße
Simon Betschinger