Liebe Leser,
der Börsenmoderator Markus Koch sagte einst: “Es sind nicht die Zeiten, die sich ändern, sondern immer nur die alte Geschichte, die von immer neuen Menschen erlebt wird”. Nichts trifft auf diese Feststellung besser zu als das kopflose Vorgehen der Politik in Sachen der Staatsschuldenkrise. Was sich in den europäischen Perhipherie-Staaten momentan abspielt, ist ja nicht die erste Staatsschulden- und Wirtschaftskrise, die sich in der Geschichte des Kapitalismus zugetragen hat. Wie solche Krisen am besten zu lösen sind, hat bereits John Maynard Keynes vor 80 Jahren ausführlich niedergeschrieben. Aber dieses Wissen, so scheint es, ist in Vergessenheit geraten. Keynes stellte fest, dass Bevölkerung und Arbeiter einer Geldillusion unterliegen. Faktisch ist es genau dasselbe, ob die Arbeiterlöhne bei null Inflation um 10% gekürzt werden oder ob bei 10% Inflation die Arbeiterlöhne konstant bleiben. Während jedoch im ersten Fall die Arbeiter sofort in den Streik treten, nehmen sie im zweiten Fall ihren Kaufkraftverlust viel gelassener hin. Weiter hat Keynes formal bewiesen, dass Lohn- und Ausgabenkürzungen in einer Wirtschaftskrise die Lage weiter dramatisch verschlechtern, weil der Rückgang der Kaufkraft die wirtschaftliche Produktion weiter verringert.
Was machen die Politiker in Spanien, Portugal und Griechenland angetrieben von der EU-Kommission? Sie kürzen wie einst Kanzler Brüning die Löhne rigoros zusammen, mit der Konsequenz, dass das Volk wie derzeit in Griechenland die Arbeit niederlegt und das Land immer tiefer in die Rezession rutscht. Kenyes wusste wie es besser geht, aber wer liest heute noch die Allgemeine Theorie? Vermutlich kaum ein Ökonom hat die Ausführungen des Briten wirklich selbst gelesen, sondern stattdessen wird Keynes immer auf den so oberflächlichen Begriff „deficit spending“ reduziert. Keynes Lösung für das europäische Problem wäre, wenn ich seine Theorie einmal auslegen darf, die Löhne und Gehälter in Spanien, Portugal und Griechenland statt zu kürzen für einige Jahre einzufrieren. Bei 2% Produktivitätsfortschritt und 3% Inflation im Jahr, wäre der Reallohn nach 10 Jahren um fast 40% gesunken und die Wettbewerbsfähigkeit wiederhergestellt. Genau diesen Weg ist Deutschland in den Jahren 1995 bis 2007 gegangen. Die Löhne stagnierten, die Wettbewerbsfähigkeit stieg, die deutsche Wirtschaft boomte. Was aber nützen die besten Erkenntnisse, wenn sie von der nächsten Generation wieder vergessen wurden? Nichts!
Viele Grüße
Simon Betschinger