Liebe Leser,
der DAX steigt und steigt und man reibt sich verwundert die Augen. Die Hausse nährt die Hausse. Solche Trends brechen eigentlich nie einfach über Nacht. Denn warum sollte die Mehrzahl der Börsianer eines morgens aufstehen und zu einer vollkommen anderen Betrachtung der Situation kommen als noch am Vortag? Ausgeschlossen. Darum enden solche solche starken Aufwärtstrends eigentlich fast immer über einen Topping-Out Prozess, der sich über mehrere Wochen hinzieht oder über einen bärischen Pivotal Point. Ein bärischer Pivotal Point wäre eine Nachricht, die von einem Schlag auf den anderen die bullische Meinung der Börsianer ändert und verbunden mit der Nachricht ein starkes Preissignal liefert. Haben Sie einen bärischen Pivotal Point entdeckt? Ich nicht!
Was sagt uns die Statistik? Auch wenn es der Intuition zu widersprechen scheint, sind die statistischen Ergebnisse eindeutig. Das wurde alles tausendfach untersucht. Allein aus der Tatsache, dass ein Markt stark gestiegen ist, lässt sich kein erhöhtes Verlustrisiko ableiten! D.h. wenn der DAX in den letzten vier Wochen 5% zugelegt hat, ist der statistische Erwartungswert einer Kurskorrektur nicht größer als wenn der DAX in den vier Wochen zuvor stagnierte.
Was sagen die Fundamentaldaten? Ob eine stärkere Indexkorrektur bereits in den kommenden Wochen einsetzen wird, ist fragwürdig. In den letzten Wochen wurde der DAX insbesondere von den Finanzwerten und den Versicherern getrieben. Die fundamentalen Bewertungen geben keine Anzeichen, dass auch nur die kleinste Überhitzung vorliegt. Eine Allianz wird auf Basis der Schätzungen für 2012 mit einem KGV von 8,4 und einer Dividendenrendite von 5% bewertet. Etwas höher und zwar bei 5,2% liegt die erwartete Dividendenrendite der Münchener Rück. Auch die Autoaktion Daimler und BMW werden mit einstelligen KGVs bewertet, wenn wir die Konsensschätzungen für 2012 zugrunde legen, die wir insbesondere im Automobilsektor sogar noch für zu niedrig halten. Sind diese einstelligen KGVs als Bewertungsmaßstab indikativ? Ja sind sie, weil das Zyklushoch des laufenden Aufschwungs wohl erst ins Jahr 2013 fallen wird. Kurzum: Der DAX gehört aus fundamentaler Sicht eher auf 9000 Punkte als auf 7000 Punkte.
Die leicht anziehenden Inflationserwartungen tun ihr übriges, um die Rally weiter anzuheizen. Wer von einer steigenden Inflation ausgeht, muss fallende Anleihekurse bei der Portfolioaufstellung berücksichtigen. Dann wird schnell ersichtlich, dass es kaum einen Grund gibt, eine Allianz mit 5% Dividendenrendite zu verkaufen, um das Geld in einer andere Assetklasse umzuschichten.
Wie gehe ich als Trader mit der Situation um? Ich weiß, dass meine einzige Möglichkeit einen oberen Wendepunkt eventuell auszumachen, darin besteht, auf einen bärischen Pivotal Point zu warten. Ansonsten weiß ich, dass ich nichts weiß, versuche mich erst gar nicht erst in Shortspekulationen, sondern trade mit klaren Stopp-Kursen auf der Longseite weiter. Irgendwann wird eine Korrektur kommen, wann das ist, steht in den Sternen. Als Trader genügt es auf eine einsetzende Korrektur zu reagieren, man muss sie nicht im Vorfeld antizipieren.
Fazit: Über die Indexentwicklung nachzudenken, setzt erst einmal voraus, sich über die Grenzen des eigenen Wissens bewusst zu werden.