Liebe Leser,
das Schicksal von Europa liegt in den Händen der EZB. Diese Aussage ist nicht übertrieben, sondern lässt sich unter Bezugnahme auf die Fakten einfach nachvollziehen. Es ist richtig, dass in den meisten hochverschuldeten europäischen Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien wichtige Strukturreformen auf den Weg gebracht wurden. Doch allein ein Blick auf die aktuellen Hochrechnungen der EU-Komission zeigt, dass das nicht ausreichen wird. So soll das durchschnittliche Staatsdefizit in der Eurozone von 6,3% des BIP in diesem Jahr auf ein Defizit in Höhe von 3,9% des BIP in 2012 absinken. Dabei wird der Schuldenstand von aktuell 84,1% des BIP auf voraussichtlich 87,7% des BIP in 2012 weiter anstiegen. Ab 2013 dürfte dann allein aus zyklischen Gesichtspunkten die nächste Rezession vor der Tür stehen und dann, wenn die Steuereinnahmen in der Wirtschaftskrise wegbrechen, ist sowieso jede Haushaltsplanung hinfällig. Wenn alles so bleibt wie es ist – gemeint sind die aktuellen Zinskonditionen -, wird es mit der Entschuldung nicht funktionieren.
Die EZB muss sich jetzt ein Beispiel an der amerikanischen Notenbank FED nehmen und massiv durch Anleihekäufe intervenieren. Die Inflationsrate in der Euro-Zone liegt bei 1,9%. Eine Geldentwertung ist nicht unser Problem, sondern die Arbeitslosenquote von durchschnittlich knapp über 10%. Spanien sticht sogar mit 20% negativ hervor. 3% Inflation in Verbindung mit niedrigen Anleihezinsen durch eine EZB-Marktmanipulation wären ein Traum, der einen Ausweg aus der Schuldenproblematik bieten würde. Diese Art der geldpolitischen Unterstützung ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Reformprogramme mit eiserner Hand durchgezogen werden. Die europäische Peripherie muss den harten Weg des Verzichts gehen, den Deutschland in den letzten zehn Jahren vorgelebt hat. Während in Deutschland die Lohnstückkosten seit dem Jahr 2000 quasi stagnierten, gönnten sich Griechenland, Italien, Portugal und Spanien Lohnerhöhungen zwischen 30% bis 35%. So geht es nicht! Die deutsche Bevölkerung hat vorgemacht, dass mehr Arbeit bei gleichzeitiger Lohnzurückhaltung gesamtwirtschaftlich zum Erfolg führt. Es wird Zeit, dass sich Resteuropa ein Beispiel daran nimmt.
Viel Erfolg wünscht
Simon Betschinger