Liebe Leser,
in der letzten Ausgabe besprachen wir, dass der Goldstandard immer auch ein Goldbeschaffungsproblem aufwirft. Eine Ausweitung der Geldmenge parallel zum Wirtschaftswachstum ist in einem goldgedeckten System kaum möglich. Heute möchte ich Ihnen ein noch viel gravierenderes Problem des Goldstandards schildern. Er ist nicht krisentauglich! Sobald in einem goldgedeckten Währungssystem eine ernste Krise am Horizont sichtbar wird, rennen die Menschen zur Bank und wollen ihre Bankguthaben gegen Gold einlösen. Weil den Zentralbanken die Möglichkeit zur Geldschöpfung fehlt, führt das zwangsweise zu Bankenzusammenbrüchen. Aus einer kleinen Wirtschaftskrise wird mit einem goldgedeckten System schnell eine Weltwirtschaftkrise.
Die erste Weltwirtschaftskrise nach Start der Industriellen Revolution begann am 24.08.1857 als die Ohio Life Bank Auszahlungswünsche nicht mehr erfüllen konnte und ihre Pforten schloss. Ursache für die Krise waren fallende Immobilien- und Landpreise sowie ein Kurseinbruch bei den in den Jahren zuvor haussierenden Eisenbahnaktien. Der Zusammenbruch der Ohio Life Bank führte zu einem Dominoeffekt, da es keine Zentralbank gab, die sich des Mittels der Geldschöpfung hätte bedienen können, um die Bankenbranche mit neuem Geld zu versorgen und zu stabilisieren. Allein zwischen dem 25. und dem 29. September 1857 brachen 185 amerikanische Banken zusammen. Am 10. Oktober kam es schließlich zum größten “Bank-Run” in der Geschichte. 50 New Yorker Banken mussten ihre Auszahlungen einstellen. Ein verschärfendes Element der Krise war der Untergang des dreimastigen Raddampfers Central America. Das Schiff hatte drei Tonnen Gold aus den Goldminen Kaliforniens als Fracht geladen, welches zur Stabilisierung des nordamerikanischen Bankensystems dienen sollte, aber in den Tiefen des Meeres versank.
Diese kurze Geschichte verdeutlicht, dass der Goldstandard für die Entwicklungsdynamik des Kapitalismus mit seinen Rezessionen und Prosperitäten vollkommen ungeeignet ist. In Krisenzeiten, wenn es hart auf hart kommt, stehen Banken vor unlösbaren Aufgaben, wenn tatsächlich der Umtausch des Papiergeldes in Gold gefordert wird.
Viel Erfolg wünscht
Simon Betschinger
Die war die Kolumne aus dem aktuellen TradeCentre Börsenbrief. Weitere Themen der aktuellen Ausgabe sind:
Aktienbulle der Woche
Freenet setzt auf Strom und Gas
Delticom: 2-stelliges Wachstum in 2011
Solutronic: Altaktionäre bitten zur Kasse!
Marktstrategie: Deutz
Musterdepot