Liebe Leser,
Karl Marx hätte sich seine mehreren hundert Seiten lange Abhandlungen über die “Akkumulation von Kapital” wohl sparen können, denn eine Geschichte scheint die Menschen immer wieder davon zu überzeugen, dass unser Geldsystem dem Untergang geweiht ist. Die Geschichte über den Joseph-Pfennig. Wenn Josoph für seinen Sohn Jesus vor 2000 Jahren einen Euro-Cent zu 5% Verzinsung angelegt hätte, dann wäre daraus heute ein Vermögen von 295 Weltkugeln aus purem Gold geworden, so rechnet Dirk Müller bei Markus Lanz vor. Betrachten Sie dazu folgenden Video-Mitschnitt:
http://grilleau.blog.de/2010/05/28/dirk-mueller-erklaert-markus-lanz-ursache-weltwirtschaftskrise-8687727/
Dass an dieser Kapital-Akkumulationstheorie irgendetwas nicht stimmen kann, verrät schon der Blick auf die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt. Wo stehen die Namen der großen Industriellen, die Anfang des 20 Jahrhunderts die amerikanische Wirtschaft dominierten? Weder die Carnegies, die Rockefellers, noch die Goulds oder Morgans tauchen auf er Liste der reichsten Menschen noch auf. Warum ist das so? Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst wichtig zu verstehen wie der Zins eigentlich entsteht? Ich zitiere hierzu aus meiner Arbeit “Schumpeters Wirtschaftsmodell“. Versuchen Sie bitte der Argumentation zu folgen. Dieses Zinsverständnis ist elementar wichtig zum Verständnis des kapitalistisches Prozesses und des Joseph-Pfennig-Problems.
Der Ursprung des Zinses
…leitet sich auch der Zins als notwendiges “Element des wirtschaftlichen Prozesses” ab. Der Zins entsteht in Prosperitätsphasen gleichauf mit den Produktivitätsverbesserungen des gesamtwirtschaftlichen Produktionsapparates und tendiert in rezessiven Phasen wieder zu verschwinden, wenn die Innovationstätigkeit zum Erlahmen kommt und alte Strukturen aus dem Wirtschaftssystem verschwinden.
“Zins ist ein Agio auf vorhandene gegenüber zukünftigen Zahlungsmitteln oder … Zins ist der Preis, den ein Darlehensnehmer für die Erlaubnis einer sozialen Gesellschaft zahlt, die es ihm gestattet, Waren und Leistungen zu erwerben, ohne vorher die Bedingungen erfüllt zu haben,…, d.h. ohne vorher andere Waren und Leistungen zum volkswirtschaftlichen Kreislauf beigetragen zu haben.”
Der Eckpfeiler des Zinses oder anders ausgedrückt, die wirklich ausschlaggebende Ursache, dass sich ein positives Agio auf vorhandene gegenüber zukünftigen Zahlungsmitteln bildet, ist der Unternehmergewinn, der im kapitalistischen System für die erfolgreiche Durchführung einer Innovation bezahlt wird. Unternehmen sind nur bereit einen positiven Zins zu zahlen, wenn der aufgenommene Kredit so investiert werden kann, dass sich in Zukunft ein höherer Betrag als die ursprüngliche Investitionssumme verdienen lässt.
In einer stationären Wirtschaft, die sich im allgemeinen Gleichgewicht befindet und die aus Routineunternehmern besteht, deren einzige Aufgabe es ist, den Produktionsapparat zu erneuern, haben die Wirtschaftssubjekte keinen Grund anzunehmen, dass kaufkraftrelevante Veränderungen eintreten. Es besteht keine schlüssige Notwendigkeit eines positiven Zinssatzes für den Produktions- und Verteilungsprozess der Güter. Schumpeter schlussfolgert, dass „der reine Zins die Tendenz hat zu verschwinden, wenn sich das System dem vollkommenen Gleichgewicht nähert.“
Damit verteidigt Schumpeter 27 Jahre nach dem Erscheinen der “Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung” seine Zinstheorie, die schon damals für heftige Diskussionen mit „Eugen Böhm von Bawerk“ geführt hat, dessen Zinsverständnis als etablierte Lehrmeinung galt. Von Bawerk nannte in seinem Werk “Kapital und Kapitalzins” drei maßgebliche Gründe für die Existenz des Zinses.
1. die Verschiedenheit der Bedarfsdeckung zwischen Gegenwart und Zukunft.
2. die perspektivische Unterschätzung künftiger Bedürfnisse.
3. die technische Überlegenheit der gegenwärtigen Güter, die aus der Mehrergie-bigkeit zeitraubender Produktionsumwege entspringt.
Schumpeter lehnte die Vorstellung ab, dass die Zeitpräferenzen von Konsumenten ausreichen, um die Entstehung eines positiven Zinssatzes zu begründen. Er stellt fest, dass man unter Kapitalzins das “dauerhafte Reineinkommen” versteht, das der Kapitalistenklasse zufließt. Aber was ist die Rechtfertigung für diese Einkommensquelle? Wenn das Kapital in einer Firma gebunden ist, die nur Routineaufgaben durchführt, dann wird diese dem Konkurrenzdruck nicht lange standhalten und es wird dauerhaft keine positiven Zahlungsüberschüsse geben, die an die Kapitalisten ausgeschüttet werden können . Die einzige Möglichkeit dem “Sturm der schöpferischen Zerstörung” zu entkommen, sind Produktivitätsverbesserungen, sprich innovative Unternehmertätigkeit. Routineaufgaben werfen langfristig im Kapitalismus keine Gewinne ab und ohne Gewinne verschwinden die Kapitaleinkommen der Eigentümer und damit der Zins. Zins tendiert ohne innovative Tätigkeit zu verschwinden .
Während Schumpeter 1912 noch die Meinung vertrat, dass ohne Entwicklung ein Nullzins vorherrschen würde, lockert er diese Annahme 1939 auf und räumt ein, dass es andere Ursachen für die Entstehung eines positiven Zinses geben kann wie zum Beispiel Staatsschulden, was aber nichts daran ändert, dass die Innovation allein ausreicht, “um den Zins beim Fehlen jeder anderen Ursache zu erzeugen”. Die große Errungen-schaft von Schumpeters Zinstheorie, die später noch näher diskutiert wird, ist eine soziologische Schlussfolgerung. Die Kapitalistenklasse sollte kein Einkommen durch Untätigkeit erzielen. Sie muss unternehmerisch tätig werden oder Unternehmungen finanzieren, um in den Genuss eines Zinseinkommens zu gelangen. Das eröffnet eine ganz neue Perspektive auf die Kosten-und Nutzenrechnung von Staatsschulden.
Zins entsteht mit dem Unternehmergewinn. Der Unternehmergewinn ist im Kapitalismus begrenzt
Eine unternehmerische Handlung liegt dann vor, wenn eine neue Innovation in den Wirtschaftskreislauf eingeführt wird. Die Belohnung für die Einführung einer Innovation ist im kapitalistischen System der Gewinn. Der Unternehmergewinn ist zeitlich begrenzt. Im Prozess des Wettbewerbs und der Imitationen seitens der Konkurrenz wird der Gewinn schnell wieder verschwinden. Schumpeter spricht vom „selbstmörderischen Reiz der Gewinne“.
Der Aktienkurs von Microsoft ist ideal geeignet um nachzuvollziehen wie die innovative Unternehmertätigkeit mit Profiten belohnt wurde. In den 1990er Jahren ging es steil nach oben. Nun befindet sich Microsoft mittendrin im “Sturm der schöpferischen Zerstörung”. Innovative Konkurrenzunternehmen versuchen Microsoft die Monopolrenditen streitig zu machen. Die Umsatzrendite von Microsoft gerät zunehmend unter Druck. Der Aktienkurs sinkt….
Zurück zum Joseph-Pfennig
Es ist wichtig sich klarzumachen, dass der Zins keine universelle Gesetzmäßigkeit darstellt, auf die man sich berufen kann. Zins entsteht gesamtwirtschaftlich nur durch innovative Unternehmertätigkeit. Ruht sich die Kapitalistenklasse auf ihrem Kapitalvermögen aus, ohne unternehmerisch zu handeln, tendiert der Zins zu verschwinden.
Das Beispiel des Joseph-Pfennig ist nur ein hypothetisches Gedankenspiel, das in Wirklichkeit nicht annähernd so stattfinden kann. Jeder milliardenschwere Anleger muss um jeden Prozentpunkt Rendite kämpfen und je höher das Vermögen ist, desto schwieriger wird es im Kapitalismus dieses Kapital im Prozess des Wettbewerbes zu verteidigen. Davon kann selbst Warren Buffett ein Lied singen. Die Rendite von Berkshire Hathaway gleicht sich immer mehr der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an. Das Vermögen ist zu groß geworden, um es allein in innovative Unternehmungen zu investieren. Die Rendite im Bestandsgeschäft in etablierten Wirtschaftssektoren unterliegt dem kapitalistischen Wettbewerbsdruck…
Wir sehen, es steckt kein Fehler im System. Das Problem der Staatsschuld muss jedoch etwas differenzierter betrachtet werden. Dazu vielleicht schon in dieser Woche mehr….