Liebe Leser,
die effiziente Märkte Theorie von Eugene Fama sowie die Theorie der rationalen Erwartungen von Lucas scheinen die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften für einige Jahrzehnte in eine falsche Richtung dirigiert zu haben – so zumindest lautet die Meinung der Nobepreisträger Schiller und Krugman. Die herausragenden Ökonomen, die in der ersten Häfte des 20. Jahrhundert wirkten, betrachteten die Finanzmärkte bzw. den Menschen als Wirtschaftsakteur weitaus realistischer als es heute die Neoklassik tut. Nach den Postulaten der Neoklassiker agiert der Mensch wie ein rationaler Computer, der seinen Nutzen aus seinen Konsumausgaben bis zum Ende seines Lebens kalkuliert.
Die Werke von Schumpeter oder Keynes machen einen weitaus realitätsnäheren Eindruck.
Ich fahre nun fort mit Zitaten von John Maynard Keynes aus der “General Theory”:
Wenn wir den Ausdruck Spekulation für die Tätigkeit der Voraussage der Marktpsychologie gebrauchen dürfen, und den Ausdruck Unternehmertum für die Tätigkeit der Voraussage der voraussichtlichen Erträge von Vermögensbeständen während ihrer ganzen Lebensdauer, so trifft es keineswegs immerzu, dass die Spekulation die Oberhand über das Unternehmertum hat. Mit der Verbesserung der Organisation von Investmentmärkten nimmt aber die Gefahr zu, dass die Spekulation die Oberhand gewinnt. Auf einem der größten Investmentmärkten der Welt, nämlich New York, ist der Einfluß der Spekulation enorm. …Aber die Lage wird ernst, wenn das Unternehmertum die Luftblase auf seinem Strudel der Spekulation wird. Wenn die Kapitalentwicklung eines Landes das Nebenerzeugnis der Tätigkeiten eines Spielkasinos wird, wird die Arbeit voraussichtlich schlecht getan werden. Die Wall Street, als Einrichtung betrachtet, deren eigentlicher sozialer Zweck die Leitung neuer Investments in die erträglichsten Kanäle, in Größen der zukünftigen Erträge gemessen, ist, kann nicht den Anspruch darauf erheben, dass der von ihr erreichte Erfolgsgrad ein hervorstechender Triumph des laissez-faire Kapitalismus ist – was nicht überraschen kann, wenn meine Annahme ist, dass die besten Köpfe der Wall Street in der Tat auf eine andere Aufgabe gerichtet sind. Man stimmt allgemein überein, dass Spielkasinos im öffentlichen Interesse unzugänglich und kostspielig sein sollten, und das gleiche gilt vielleicht für Wertpapierbörsen.
Fazit: Das sind die berühmten, historischen Aussagen von John Maynard Keynes, der die Börsen als Spielcasino bezeichnet und folgert, dass Spielcasinos im öffentlichen Interesse unzugänglich sein sollten. Wenn man weiß, dass Keynes selbst ein leidenschaftlicher und erfolgreicher Börsenspekulant war, der ein zweistelliges Millionenvermögen an der Börse verdiente, ist diese Aussage bemerkenswert.