Hier ist meine aktuelle Kolumne. Ich möchte dazu heute Abend noch einige Ergänzungen machen. Bis dahin dürften sich sämtliche Trader, die sich am scheinbar pessimistischen Sentiment täglich neue Zuversicht holen, gerne freuen! 🙂
Liebe Leser,
den neuen Superoptimismus der Märkte kann ich nicht teilen. Je schneller der Markt steigt, desto größer wird mein Unbehagen. „Analysten prognostizieren weitere Kurssteigerungen am Aktienmarkt“, stand heute auf der Titelseite des Handelsblatts. Das Erstaunliche ist: Während vor zwei Jahren noch alle am Aufschwung des Aktienmarktes zweifelten, streiten mittlerweile die meisten Marktstrategen ab, dass sich eine neue Spekulationsblase wie zur Jahrtausendwende bilde. „Neben der besseren Gewinnsituation der Firmen und der robusten Weltkonjunktur spreche die moderate Bewertung von Aktien dagegen“. Nennen wir diese Betrachtung der Marktsituation wertungsfrei „interessant“, allein schon weil der DAX zum Start der Rallybewegung bei 2200 Punkten notierte. Damals reduzierten großen Banken und Versicherungs-konzerne radikal ihre Aktienbestände und stießen Beteiligungen an deutschen Industriekonzernen ab. Die Begründung war, dass die Risiken von großen Aktienportfolios zu hoch seien.
Wenn Aktien bei einem DAX-Stand von knapp 2200 Punkte also riskant waren und jetzt nach einer Kursvervierfachung dem Konsens nach auf einmal „moderat bewertet“ sind, dann führt das zu der Frage: Hat die Masse der Analysten unrecht oder sind diesmal die Dinge wirklich komplett anders? Komplett anders würde heißen, dass die gewöhnlichen Wirtschaftszyklen nicht mehr gelten. Wie verläuft ein Zyklus? Die Wirtschaft befindet sich in der Rezession. Unternehmen sparen wo es nur geht, um wieder aus den roten Zahlen zu kommen. Durch die Kosteneinsparungen gelingt die Rückkehr in die Gewinnzone. Dann hellt sich die wirtschaftliche Lage auf einmal auf, die Nachfrage nach Gütern steigt und die Margen der Unternehmen springen deutlich in die Höhe. Jetzt ist Geld zu machen und darum wird massiv in eine Erweiterung der Produktionskapazitäten investiert. Nach der Kapazitätserweiterung wachsen die Umsätze explosiv um 20%, manchmal sogar 30% oder 40%. Die Margen erreichen Rekordniveaus, die Gewinne sprudeln und voller Euphorie wollen die Unternehmens-lenker noch stärker wachsen. Zu hohen Preisen werden Akquisitionen getätigt und die eigenen Produktionskapazitäten erneut erweitert. Und dann der Schock: In dieser perfekten Welt deckt die Nachfrage plötzlich nicht mehr das Angebot….
Viele Grüße
Simon Betschinger