Geprüft Mittlerweile duckt man sich und hofft das der Sturm vorbeizieht. Egal ob rückwirkend oder in die Zukunft gerichtet: Im Wirtschaftsleben kommt es auf korrekte Zahlen an. Besonders dann, wenn Firmen beispielsweise an die Börse gehen, Fremdkapital ? egal, ob als Kredit oder als Anleihe ? aufnehmen, ein anderes Unternehmen kaufen oder, neuerdings in Mode gekommen, um staatliche Hilfen ersuchen. Ob Geldgeber oder Geschäftspartner: Alle müssen sich darauf verlassen können, dass die Bilanzzahlen stimmen. Dafür gibt es Wirtschaftsprüfer, die den Firmen korrekte Zahlen bestätigen. Aber das Brennglas wird eigentlich immer nur auf die ?Big Five? der Wirtschaftsprüfer gerichtet: PwC, EY, KPMG, Deloitte und BDO. Es wird auf die Vermischung von Beratung und Prüfung hingewiesen. Denn, wie ist ein Testat zu bewerten, wenn gleichzeitig ein lukrativer Beratungsauftrag vorhanden ist? Ein relativ frischer ?großer? Skandal ist die Wirecard-Pleite und dabei die unsägliche Rolle von EY. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft war wohl mehr als ein Jahrzehnt ?williger? Gehilfe der Unternehmensführung bei dem Aufbau eines Kartenhauses, was die deutsche Aufsichtsbehörde Apas in ihrem nichtöffentlich zugänglichen Prüfungsbericht Ende des Jahres 2023 wohl deutlich moniert hat. Glücklicherweise für EY ist aber auch festgestellt worden, dass zwar Pflichtverletzungen stattgefunden haben: Fahrlässigkeit ? aber kein Vorsatz. Dieser Aspekt ist von grundsätzlicher Bedeutung, denn bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen greift die gesetzliche Begrenzung der Haftung von Wirtschaftsprüfern nicht. Dem Apas-Bescheid dürfte auch einige Bedeutung für zivilrechtliche Auseinandersetzungen zukommen. Die Commerzbank will rund 200 Millionen Euro von EY erstreiten. Die Aktionärsvertretung DSW reichte eine Klage über 700 Millionen Euro ein und - last but not least ? hat der Wirecard-Insolvenzverwalter eine Schadenersatzklage gegen EY über 1,5 Milliarden Euro eingereicht. Ein besonders absurder Fall ist schon ein paar Jährchen her. EY wurde 2002 von der Bafin für eine Sonderprüfung bei der Phoenix Kapitaldienst GmbH beauftragt und führte diese im Herbst durch. Hier ging EY wohl durch die Lappen, das ein entscheidendes Konto garnicht existierte. Gerüchtweise gab es auch mit Tipp-Ex manipulierte Kontoauszüge. Erst nach Wechsel der Geschäftsführung bei Phönix im Jahr 2005 meldete diese die ?Differenz? bei der Bafin und diese beantragte kurz darauf die Insolvenz und erklärte den später stark umstrittenen ?Entschädigungsfall? durch die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierfirmen (EdW). Diese klagte gegen EY weil aus ihrer Sicht der Eintritt des Entschädigungsfalles bereits spätestens im Mai 2003 und nicht erst im Frühjahr 2005 festgestellt worden wäre, wenn pflichtgemäß geprüft worden wäre. Dann hätte die Klägerin wesentlich geringere Entschädigungen leisten müssen. Die Klage der EdW wurde sowohl vom Landgericht als auch vom Oberlandesgericht Stuttgart abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der EdW zurückgewiesen. Nach der Ansicht des Bundesgerichtshofes könne die Klägerin aus dem zwischen der BaFin und EY geschlossenen Vertrag keine Ansprüche herleiten. Denn der Vertrag zwischen der Bafin und der beklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft entfalte keine Schutzwirkung zugunsten der EdW, da ? vereinfacht dargestellt ? die EdW nicht Vertragspartei war sondern die Bafin und dieser ja kein Schaden entstanden sei. So blieben die EdW bzw. die hier Beitrags- und Sonderumlagepflichtigen Wertpapierfirmen auf dem Verlust sitzen. Die ?Big-Five? und die Großmandate sind aus unserer Sicht aber nur die Spitze des Eisbergs. Auch kleinere Wirtschaftsprüfungsgesellschaften machen möglicherweise ?Fehler?; dann eben bei mittelständischen Unternehmen. Hier sind ebenfalls langjährige Beziehungen entwickelt worden. So hat ein eher mittelständischer Wirtschaftsprüfer eine Markenrechts-Forderung der Firma Zamek über 6 Millionen Euro 2013 als werthaltig testiert. Das Unternehmen musste noch im selben Jahr Insolvenz anmelden. Ein eher amüsanter Fall ? außer eben für Anleger, Lieferanten und Mitarbeiter. Zamek hat einen türkischen Produzenten von Tütensuppen und Säften mit Namen Tamek vor dem Landgericht Düsseldorf verklagt, wegen der Namensähnlichkeit und der selben farblichen Produktausstattung. Und zwar auf 6 Millionen Euro. Tamek widerrum hat mittlerweile Gegenklage eingereicht und macht geltend, dass Tamek teilweise in verschiedenen Märkten schon lange vor Zamek existent gewesen sei ? also der Markenname älter sei. Der Fall ist heute (2024) unseres Wissens noch anhängig. Aber auf jeden Fall ist die Deklaration als ?werthaltige Forderung?, die der Bilanz zu einer ?schwarzen Null? verholfen hat, fragwürdig. Das konnten Berater der Mittelstandsanleihe nicht absehen. Schauen wir zurück und sehen uns die Insolvenz von KTG-Agrar im Jahr 2016 an. Das bei Sigi Hofreiter nicht alles koscher wirkte, war vielen klar. Auch den beratenden Unternehmen. Aber KTG-Agrar konnte immer wieder auf die Testate der Wirtschaftsprüfer hinweisen. Erst kurz vor der Insolvenz hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Möhrle Happ Luther in einer Pflichtmitteilung die Bestätigungsvermerke für den Jahres- und Konzernabschluss widerrufen. Der Grund: ?Dass der Rechtsschein der Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen zum Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerkes am 12. Mai 2016 und damit vor Einleitung eines Insolvenzverfahrens beseitigt werden solle.? Bestes Juristendeutsch. Oder laienhaft ausgedrückt: Da rudert aber einer gewaltig zurück und möchte nicht in den Strudel geraten. Ganz aktuell die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 16 Millionen Euro des Insolvenzverwalters Rüdiger Weiß gegen die ehemaligen Wirtschaftsprüfer der Deutschen Lichtmiete AG. Aus Sicht des Insolvenzverwalters wäre die Deutsche Lichtmiete und ihre drei operativen Töchter zum 31.12.2019 insolvent gewesen. Dennoch wurde erfolgreich geprüft und testiert. Berater und Anleger haben sich auf diese Testate verlassen. Ein vom Insolvenzverwalter in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass zum 31.12.2019 für das Unternehmen keine positive Fortführungsprognose bestanden habe. Damit sind auch alle folgenden Jahresabschlüsse der DLM ungültig. Die Gerichte haben das Sagen. Kapitalmarktberater machen Fehler. Nicht jede Due-Diligence ist wirklich gut. Die handelnden Personen in einem Unternehmen, das auf den Kapitalmarkt drängt, wirken nicht immer seriös und vertrauenswürdig. Diese Dinge können zu Recht kritisiert werden. Aber Niemand sollte vergessen, dass es für alle Berater sehr schwierig ist, ein geprüftes und testiertes Unternehmen nicht am Kapitalmarkt zu unterstützen. Manchmal hat man ein ungutes Gefühl ? schaut sich aber dann noch einmal die Jahresabschlüsse und die Prognosen der Wirtschaftsprüfer an und kommt zu dem Schluss, dass man sich vielleicht täuscht. Zum Glück hat man zumeist auch Recht. Aber diese Fälle werden nicht so öffentlichkeitswirksam, denn machen wir uns nichts vor: ?Bad news are good news? und treiben die Auflagezahlen oder die Klicks nach oben.
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